Bitte mach du das mal
In einer meiner letzten Supervisionen kam es zu einem Satz, der mich kurz schlucken ließ: „Du musst uns mal richtig in die Zange nehmen!“ Ein Teammitglied meinte es ernst – sie wollten, dass ich als Supervisorin oder Supervisor quasi die Gedanken der Teilnehmenden lese, die unausgesprochenen Konflikte auf den Tisch lege und vielleicht auch ein bisschen Druck mache.
Mein erster Gedanke war: Oh ja? Soll ich jetzt die Superhelden-Brille aufsetzen und Gedanken lesen?
Warum ich das nicht tue
Ich bin nicht der Typ, der Teams „in die Zange nimmt“. Ich glaube fest daran: Wenn jemand anderes die Konflikte benennt und die Lösungen vorgibt, fühlt sich das kurzfristig vielleicht gut an – langfristig aber lähmt es das Team. Dann sitzt man schön brav da, nickt, denkt sich: „Ah, super, das macht jetzt der Supervisor für uns“ – und die eigenen Themen bleiben unausgesprochen.
Und genau das ist der Kern: Dieser Wunsch zeigt mir, dass im Team etwas fehlt – nämlich Sicherheit. Sicherheit, alles offen sagen zu können, ohne dass jemand sofort verurteilt oder kritisiert wird. Viele trauen sich nicht, ihre Meinung klar auszusprechen oder ihre Erwartungen zu formulieren. Stattdessen denken sie: „Vielleicht weiß er oder sie, was wir meinen.“ Oder: „Wenn ich das jetzt sage, gibt’s Ärger.“
Die unausgesprochene Botschaft
Als ich genauer nachfragte, hörte ich zwischen den Zeilen: „Wir wissen nicht, wie wir anfangen sollen. Wir haben Angst, dass wir uns lächerlich machen oder jemanden verletzen.“ Der Wunsch nach dem strengen Supervisor war also eigentlich ein Hilferuf: Helft uns, uns sicher genug zu fühlen, damit wir selbst sprechen können.
Mein Stil: Sicherheit statt Zwang
Mein Ansatz ist deshalb ein anderer. Ich will keine Konflikte erzwingen oder jemanden „in die Zange nehmen“. Ich will den Rahmen schaffen, in dem das Team selbst den Mut findet, alles zu sagen, was auf dem Herzen liegt. Ich gebe Impulse, stelle Fragen, lade zu ehrlichen Gesprächen ein – aber die Worte kommen vom Team. Denn nur so entstehen Lösungen, die wirklich getragen werden.
Warum Eigenverantwortung Gold wert ist
Wenn ich jetzt alles auf den Tisch legen würde, wäre die Arbeit schnell erledigt – aber die Teams merken: Die Veränderung bleibt oberflächlich. Nachhaltig wird es erst, wenn sie selbst merken: „Hey, wir können das klären. Wir können uns gegenseitig zuhören. Wir können miteinander sprechen.“ Dann braucht es keinen strengen Supervisor mehr, der den Stift schwingt – dann passiert echte Zusammenarbeit.
Die Erkenntnis dahinter
Der Satz „Du musst uns in die Zange nehmen!“ ist für mich ein Geschenk. Er zeigt, wo Unsicherheit steckt und wo ich ansetzen kann: nicht mit Druck, sondern mit Vertrauen. Mein Ziel ist, dass Teams lernen, sich selbst zu verstehen, Erwartungen auszusprechen und Missverständnisse zu klären – ganz ohne Superheldenkräfte. Und wenn das passiert, merke ich: Dann haben wir den eigentlichen Job erledigt – und das Team kann weitermachen, stark, selbstbewusst und souverän.

