Unausgesprochene Erwartungen Eine Supervision über Klarheit im Team
In einer meiner letzten Supervisionen ging es um ein Thema, das in vielen Teams immer wieder zu Spannungen führt: unausgesprochene Erwartungen. Die Stimmung im Team war angespannt, und es gab unterschwellige Konflikte. Einige fühlten sich überfordert, andere hatten das Gefühl, ständig hinterherzuarbeiten, und wieder andere waren frustriert, weil sie dachten, ihre Arbeit werde nicht gesehen oder wertgeschätzt. Der Kern des Problems wurde schnell deutlich: Es gab viele unausgesprochene Erwartungen, die nie klar formuliert wurden – weder an sich selbst noch an andere.
Der Einstieg: Erwartungen sichtbar machen
Um das Thema greifbar zu machen, habe ich eine Methode gewählt, die ich gerne „Erwartungslandkarte“ nenne. Dabei habe ich alle Teammitglieder gebeten, ihre Erwartungen aufzuschreiben – sowohl die Erwartungen, die sie an andere haben, als auch jene, die sie glauben, dass andere an sie stellen. Diese Karten wurden anschließend auf einem Flipchart gesammelt und sortiert.
Schon beim Sammeln der Karten wurde deutlich: Viele Erwartungen waren nie offen ausgesprochen worden. Einige Teammitglieder hatten völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, wer wofür zuständig ist oder wie bestimmte Aufgaben erledigt werden sollten. Besonders spannend war zu sehen, dass es auch widersprüchliche Erwartungen gab – etwa wenn eine Person dachte: „Ich soll mich mehr einbringen“, während eine andere meinte: „Ich wünsche mir von der Person mehr Zurückhaltung.“
Der Aha-Moment: Was unausgesprochen bleibt, führt zu Konflikten
Ein entscheidender Moment war, als ein Teammitglied sagte: „Ich wusste gar nicht, dass ihr von mir erwartet, dass ich das mache.“ Diese Aussage brachte etwas Grundlegendes ans Licht: Viele Konflikte im Team entstanden nicht aus böser Absicht oder mangelndem Engagement, sondern schlicht aus fehlender Kommunikation. Erwartungen wurden nicht formuliert – stattdessen wurde stillschweigend angenommen, dass die anderen schon wissen müssten, was man braucht oder erwartet.
Das führte zu einer typischen Dynamik: Manche fühlten sich überfordert, weil sie glaubten, den unausgesprochenen Anforderungen gerecht werden zu müssen. Andere hielten sich zurück und wurden dafür kritisiert – obwohl sie gar nicht wussten, dass mehr von ihnen erwartet wurde. Diese Diskrepanz zwischen Annahmen und Realität sorgte für Frust auf allen Seiten.
Der Weg zur Lösung: Offene Kommunikation über Erwartungen
Nachdem wir die Erwartungslandkarte gemeinsam analysiert hatten, ging es darum, Klarheit zu schaffen. In einem moderierten Gespräch hatten alle Teammitglieder die Gelegenheit, ihre Erwartungen offen auszusprechen und gleichzeitig Rückmeldung dazu zu geben:
- Sind diese Erwartungen realistisch?
- Sind sie überhaupt bekannt?
- Sind sie für alle Beteiligten nachvollziehbar?
Dieser Austausch war nicht immer einfach. Es braucht Mut und Vertrauen, um offen anzusprechen, was man sich von anderen wünscht – und gleichzeitig ehrlich zu sagen, was man selbst leisten kann (und will). Doch genau dieser Prozess brachte das Team einen großen Schritt weiter. Viele Missverständnisse konnten geklärt werden, und unrealistische Erwartungen wurden angepasst.
Die Erkenntnis: Erwartungen müssen ausgesprochen werden
Die zentrale Erkenntnis aus dieser Supervision war für mich: Unaussgesprochene Erwartungen sind wie Stolpersteine in der Zusammenarbeit. Sie führen zu Frustration und Konflikten – nicht weil jemand bewusst etwas falsch macht, sondern weil niemand genau weiß, was eigentlich erwartet wird. Nur durch offene Kommunikation können diese Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden.
Besonders spannend fand ich auch den Gedanken eines Teilnehmers: „Ich habe gemerkt, dass ich oft selbst nicht genau weiß, was ich eigentlich erwarte.“ Diese Reflexion zeigt: Bevor wir unsere Erwartungen an andere richten können, müssen wir uns erst einmal selbst darüber klar werden.
Fazit: Klarheit entsteht durch Dialog
Diese Supervision hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, sich im Team bewusst Zeit für den Austausch über Erwartungen zu nehmen. Es mag auf den ersten Blick wie ein zusätzlicher Aufwand wirken – doch die Entlastung und Harmonie, die daraus entstehen können, sind unbezahlbar.
Mein Fazit lautet deshalb: Sprecht eure Erwartungen aus – klar und direkt. Und nehmt euch Zeit für den Dialog darüber. Denn nur wenn alle wissen, was von ihnen erwartet wird (und was sie selbst erwarten dürfen), kann echte Zusammenarbeit entstehen. Unausgesprochene Erwartungen lösen sich nicht von selbst auf – aber durch ehrliche Gespräche können sie zu einer Grundlage für gegenseitiges Verständnis und Vertrauen werden. Und das ist dann wieder ein Schritt. Ein Schritt auf dem Weg gemeinsam zur Lösung 🙂
Erkenntnisse Erwartungen Herausforderung Lösung Probleme Supervision Team